Romanische Wandmalerei mit dem Sündenfall und Palmettenbordüre

Romanik in Weiz

Es ist eine feststehende Tatsache, dass allen Völkern, ganz gleich auf welcher Kulturstufe sie stehen mögen, ein Drang nach schönheitsvoller Formgebung innewohnt. Sie schmücken und gestalten ihre Wohnstätten, Gegenstände des täglichen Gebrauchs und des Kultes. Bei allen Kulturvölkern und zu allen Zeiten ist es aber die als höchstes Ideal erkannte Gottesidee, die der künstlerischen Gestaltung die höchste Aufgabe zuweist. Deshalb werden auch die Werke für den religiösen Kult, besonders die Gotteshäuser, zum Mittelpunkt für das künstlerische Schaffen. Da die Künstler in den verschiedenen Zeitabschnitten die entwickelte Kunstform als die vornehmste erkannten, legten sie dieselbe auch allen ihren Werken zugrunde. So entstand allmählich in bestimmten Zeitaltern ein ganz bestimmter Formenkreis. Diesen Formenkreis, der aus der religiösen und sittlichen Anschauung eines Volkes hervorgegangen ist, nennt man Stil. Insbesondere gilt der Begriff Stil für die Baukunst.

Mit dem Verfall des Römerreiches ging auch seine Weltanschauung unter und es zerfiel seine einst blühende Kunst. Das Leben bedurfte eines neuen, geistigen Fundamentes; da trat das Christentum ein. Mit dem Christentum kan auch eine neue Zeit in das gesamte Kulturleben und Kunstschaffen. Allein diese Entwicklung konnte nur sehr langsam vor sich gehen. Erst um das Jahr 1000 etwa zeigt sich eine gänzlich neue Umgestaltung der römischen Bauformen und ein völliger Bruch mit der römischen Überlieferung, so dass auf diese Zeit der Beginn der romanischen Bauperiode festgesetzt wird. Von dieser Zeit an, wird die Kunst fast ausschließlich eine kirchliche, weil die berufen war, die Stätten des Gottesdienstes zu schmücken, weil die Klöster vielfach die Heimstätten der Kunst wurden und die Künstler in ihnen Schutz und Pflege fanden. Der romanische Stil blieb jedoch nicht nur auf Bauten für kirchliche Zwecke beschränkt. Es war selbstverständlich, dass er auch der Bautätigkeit des wehrhaften Rittertums, der Befestigung der Städte, den Stadttoren, Stadttürmen und Rathäusern ja selbst der Bürgerlichen Architektur seinen Stempel aufdrückte.

Das wesentliche Stilelement ist der Rundbogen. Wir finden ihn im Grundriß der Kirchen, als Abschluß der Kirchenschiffe und der Karner oder Beinhäuser in den Friedhöfen, ferner an den Portalen der Eingänge, an den Fenstern oder aneinander gereiht als Fries an den Wänden. Er verbindet Säulen oder Pfeiler im Gotteshaus oder im Kreuzgang der Klöster. Als Gurtbogen überspannt er das Gewölbe und unterteilt es in einzelne Felder. An den Bauwerken der Kaiserpfalzen und der Burgen fand er ebenso seine Anwendung.

In Weiz ist uns in der St. Thomas- oder Taborkirche ein Bau der Romanik erhalten. Die Kirche ist ein Beispiel eines einfachen romanischen Gotteshauses aus dem Ende der deutschen Rodungs- und Kolonisationszeit im ausgehenden 12. Jahrhundert. Ursprünglich bestand die Kirche aus einem überwölbten Chorquadrat als Altarraum mit darüber aufgeführtem Turm, dem sich breiter ausladend ein rechteckiges Kirchenschiff mit einer ebenen Holzdecke anschloß. Sie wird dem Typus der Ostturmkirchen im Lande zugeordnet. Als Baumaterial dienten für den Unterteil von Turm und Schiff Steinquader, die teilweise von einer hier bestandenen römerzeitlichen Siedlung stammen könnten, wie eingemauerte römische Grab- und Reliefsteine vermuten lassen.

Grundriss des Romanischen Teils der Taborkirche in Weiz
Grundriss des Romanischen Teils der Taborkirche in Weiz

Seit der Kirchenrenovierung in Jahre 1935 wissen wir, dass das Innere der Kirche auch eine Bemalung hatte. Leider sind davon nur Reste an der Nordwand aus dem 13. Jahrhundert erhalten. Die Bemalung zeigt mit der Palmettenbordüre die einstige Höhe des Schiffes bis zur Holzdecke an (siehe Titelbild). Darunter waren bis zum Ansatz des Altarraumes drei übereinander liegende Bildstreifen als „biblia pauperum“, einer Bilderbibel für die des Lesens unkundigen Kirchenbesucher. Sie stellten Szenen aus dem Alten Testament beginnend mit dem Sündenfall im Paradies dar, darunter aus dem Neuen Testament das Erlösungswerk mit der Verurteilung durch Pilatus und aus dem Marienleben mit der Verkündigung an Maria.

Romanische Wandmalerei an der Nordwand der Taborkirche in Weiz
Romanische Wandmalerei an der Nordwand der Taborkirche in Weiz, teilweise original, teilweise später übermalt

Im Chorquadrat ist von der ältesten Malschicht ein Posaune blasender Engel erhalten. Wahrscheinlich gehörte er zu einer Darstellung des Jüngsten Gerichtes, das einmal die Wand ausgefüllt haben wird. Außerdem sind noch Köpfe Auserwählter zu sehen, die die Annahme bestätigen könnten. Am rechten Bildrand setzt sich die Streifeneinteilung fort. Darunter die am besten erhaltene Darstellung einer Heiligenfigur auf einem sich windenden Untier: die in dieser Form selten gezeigte hl. Margaretha, die dem berstenden Drachen unversehrt entsteigt, nachdem sie ihn mit dem Kreuzzeichen überwunden hat. Es ist schwerer, kräftiger, vorwiegend linearer Stil, der diese ältesten Malereien der Kirche auszeichnet. Es ist anzunehmen, dass auch die Südwand der Kirche im Mittelalter eine monumentale, malerische Ausschmückung hatte. Der Umbau der Kirche im Jahre 1644 brachte neben der einwölbung des Schiffes und der Umgestaltung der Fenster auch die Zerstörung der Fresken, deren Reste übertüncht wurden. So blieben sie bis zum Jahre 1933 unbekannt.

Wenn auch die Taborkirche nicht zu den großen romanischen Gotteshäusern zu zählen ist, so kann sie doch durch ihren fast 800 jährigen Bestand und ihren Freskenschmuck eine historische Kostbarkeit der Romanik genannt werden.

Eine weitere Kostbarkeit wohl besonderer Art ist eine Missale oder Meßbuch aus der alten, basilikalen romanischen Pfarrkirche auf dem Weizberg, das im Landesarchiv in Graz hinterlegt ist. Das handgeschriebene Buch enthält auf den ersten der 201 Buchblätter aus Pergament ein Calendarium mit den Kirchen- und Heiligenfesten, weist im Text einige schön gestaltete Initialien auf, ferner Neumen, das sind Zeichen für den Sänger, die als Vorläufer der späteren Koralnotenschrift bezeichnet werden können, wie eine durch den Gebrauch leider sehr abgegriffene Miniatur einer Kreuzigungsdarstellung.

Initialien aus dem romanischen Missale
Initialien aus dem romanischen Missale

Kreuzigungsdarstellung aus dem romanischen Missale
Kreuzigungsdarstellung aus dem romanischen Missale

Der Buchdeckel ist mit braunem Leder überzogen und mit fünf Messingbuckeln versehen. Auf Grund der Buch- und Schriftbeschaffenheit wird das Missale dem ausgehenden 12. Jahrhundert zugeordnet. Interessant ist eine Bucheintragung vom Jahre 1197, die einen Ortolf als Pfarrherren von Weiz nennt. Es wird wohl jener Priester Ortolf gemeint sein, der 1140 anläßlich der Gründung des Stiftes Seckau von Feistritz auf den Weizberg versetzt und hier erster Pfarrherr geworden war. Da die Wissenschaft das Missale keiner bekannten Schreib- und Malerschulen zuordnen vermag, ist das Weizer Missale, das auch das „Stubenbergische“ genannt wird, für die Forschung von besonderem Wert.

Weiz kann mit recht auf die Kulturdenkmäler seiner Frühgeschichte stolz sein, die es auch der Nachwelt zu erhalten gilt.

(1907-2001) war Weizer und Lehrer aus Leidenschaft.
Besonderes Anliegen war ihm immer, wie er es nannte – ein volksbildnerisches Bestreben, auf die geschichtliche Vergangenheit unserer Heimat hinzuweisen.

In diesem Sinne werden hier auch seine Texte veröffentlicht, dass sie auch in Zukunft einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, bzw. bleiben. Die Texte sind bis auf kleine Korrekturen in der Rechtschreibung unverändert gegenüber den Originaltexten. D.h. es kann sein, dass sie auch vom Stil her etwas antiquiert wirken.

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