Thomaskirche in Weiz (1. Die Urkunde)

Am steinernen Scheidebogen der Taborkirche in Weiz, der heute das Kirchenschiff mit dem ehemaligen Altarraum verbindet, bezeugt eine Ablichtung der Urkunde aus dem Jahre 1188 den Bestand der Kirche und von Weiz vor acht Jahrhunderten. Diese im Steiermärkischen Landesarchiv verwahrte Urkunde führt weit zurück in die Zeit der Besiedelung und Kolonisation des Weizer Raumes nach der Wiedergewinnung der Oststeiermark mit der Grenzziehung an der Lafnitz nach den siegreichen Kämpfen Köng Heinrichs III. in den Jahren 1042 bis 1044 gegen die Ungarn.

Schon einmal war dieses Waldreiche Land dem bajuvarisch deutschen Kultur- und Wirtschaftseinfluß geöffnet, als nach dem 8. Jahrhundert die Kirche und der deutsche Adel von den fränkischen Königen mit großen Ländereien beschenkt wurden. In diese Zeit fällt die königliche Bestätigung vom Jahre 860, mit der dem Erzbistum Salzburg Land und Gutshöfe an (ad Rapam – St. Ruprecht) und in der Nähe der Raab (Luminicham iuxta Rapam) bestätigt wurden. Als jedoch 881 der erste Einbruch der Magyaren in das deutsche Ostland erfolgte und 907 das bairische Heerbann in der Schlacht bei Preßburg fiel, waren die karolingischen Marken verloren, das Kolonisationswerk vernichtet, Kirchen und Ortschaften zerstört und die Bevölkerung verschleppt oder erschlagen. Den Ungarn war der Weg nach dem Westen frei.

Die erfolgreiche Schlacht König Otto des Großen auf dem Lechfeld vor Augsburg über die Ungarn 955 leitete eine allmähliche Rückgewinnung deutschen Siedlungsbodens und die Wiedererrichtung von Grenzmarken im Osten des Reiches ein. Die Feldzüge König Heinrichs III. sicherten endgültig das Land bis zur March, Leitha und Lafnitz gegen die Ungarn.

Neuerlich verschenkte der deutsche König das eroberte Land an Kirche und Adel, um es durch diese kolonisieren und missionieren zu lassen. Das Erzbistum Salzburg konnte wieder die vom karolingischen König Ludwig dem Deutschen geschenkten Güter in seinen Besitz nehmen, so das Land um St. Ruprecht an der Raab wie das Gebiet östlich von Weizberg, Hühnerberg und Stroß bis zum Kulm und zur Feistritz und nordwärts bis zur Weizklamm, zum Patscha und Zetz und südwärts bis gegen Münichhofen. Der Weizer Boden fiel mit dem größten Teil der Oststeiermark dam bairischen Pfalzgrafengeschlecht der Aribonen zu. An sie erinnert noch Arndorf (Aribendorf) bei St. Ruprecht als ihre Dorfgründung. Nach der Maßregelung Aribos und seines Bruders Boto wegen Hochverrates durch König Heinrich III. finden wir nach 1055 als neuen Grundherren den Hochfreien Walter von der Traisen und in der Folge die Hochfreien von St. Dionysen und Waldstein.

Die Könige vergaben an den Adel und die Kirche nicht nur Grund und Boden zur Ausstattung und Kolonsation, sondern sie setzten nach ottonischen Reichskirchensystem auch Bischöfe und Äbte gleich Reichsbeamten ein und verliehen ihnen Ring und Stab. Dabei blieben oft die seelsorgerischen Belange unberücksichtigt. Diese Vorgangsweise führte zum Investiturstreit zwischen den Päpsten und den deutschen, französischen und englischen Herrschern. Papst Gregor VII. entfesselte 1075 den Streit, den in Deutschland die Könige Heinrich IV. (Gang zur Burg Canossa 1077) und Heinrich V. durchzukämpfen hatten und der erst mit dem Wormser Konkordat 1122 beendet wurde. Künftig gingen Bischöfe und Äbte aus freier, kanonischer Wahl hervor. Der unselige Kampf ging quer durch das Land mit der Parteinahme für oder gegen den Papst und Kaiser, mit Bannflüchen und Ächtungen. Er hemmte aber auch die begonnene Kolonisation, die nach dem Wormser Konkordat wieder voll einsetzte. In diese Zeit fiel auch das Aussterben der Eppensteiner, der Herzoge von Kärnten. Das Gebiet der Kärntner Mark, etwa die heutige Steiermark, wurde nun vom Herzogtum Kärnten gelöst und dem Traungauer Leopold I. von Steyr (1122 – 1129) als ersten selbständigen Marktgraf unterstellt. Er förderte verstärkt die Rodungsarbeit in den entvölkerten Grenzgebieten der Oststeiermark und leitete eine Siedlungswelle ein.

Die Grund- und Rodungsherrschaften errichteten für ihre Gebiete Zentren, von denen aus die Erschließung des Landes geleitet wurde. Das Erzbistum Salzburg legte für sein Gebiet einen Meierhof (Villikation) in Oberfladnitz-Thannhausen als Rodungszentrum an, die Hochfreien von der Traisen am Abhange des Göttelsberges zwischen 1130 und 1140 das „Castrum Wides“ oder die Burg Weiz mit Meierhof (Hofbauer), Mühle (Mühlgasse 1) und Taverne (Gasthof zum Goldenen Engel). 1147 nannte sich ein Hartwig der Rote, Gefolgsmann Engelschalks von Waldstein, nach ihr. Im Jahre 1152 wird die Burg Weiz in einer Urkunde ausdrücklich genannt. Als ihr Erbauer gilt Liutold II. von St. Dionysen – Waldstein.

Als die Phase der friedlichen Siedlungstätigkeit von ungarischen Einfällen um 1165 unterbrochen wurde, errichtete man an Stelle der Villikationen und Fluchtburgen aus Holz und Erdwällen an geeigneten Plätzen Herrschaftsburgen aus festem Mauerwerk. Es entstand im steirischen Grenzland ein tief gestaffelter Burgengürtel. Nach 1180 erbaute auch Liutold III., Sohn Liutold II., hoch über der Raab die feste Burg Gutenberg, nach der er sich auch künftig nannte. Die leicht befestigte Fluchtburg, das Castrum Wides oder die Burg Weiz, war überflüssig geworden und wurde aufgelassen. Bestehen blieben die herrschaftlichen Wirtschaftseinrichtungen: Meierhof, Mühle und Taverne. Im erzbischöflichen Rodungsblock entstanden die Burgen Trennstein und Sturmberg.

Das weite, wenn auch nur dünn besiedelte Rodungsland brauchte zur Befriedigung wirtschaftlicher Bedürfnisse ein Handels- und Handwerkszentrum. Liutold III. bestimmte als Grundherr einen Teil der Grundstücke, die zwischen dem Meierhof des aufgelassenen Castrum Wides und dem Weizbach lagen, zur Gründung und Anlage des Marktes Weiz. Jenseits des Weizbaches war bereits das Dorf Radmannsdorf, das auf den Rodungsleiter Ratkiso zurückgeführt wird und aus zehn Huben bestand. Die Marktflur war daher ursprünglich klein und umfaßte den planmäßig angelegten Marktplatz und nur wenige Gassen zur Niederlassung von Handwerkern als Ackerbürger. Auf der den Marktplatz beherrschenden Anhöhe baute der Grundherr eine Kirche, die er dem englischen Märtyrerbischof Thomas Becket von Canterbury bestimmte, der 1170 im Ringen zwischen weltlicher und kirchlicher Macht in seiner Kathedrale von Anhängern König Heinrichs II. ermordet und bereits 1173 selig gesprochen wurde. War die Patronatswahl zur Zeit der Fehde zwischen Kaiser Friedrich Barbarossa und Papst Alexander ein Zeichen der Glaubens- und Papsttreue?

Liutold III. von Gutenberg, der Erschließer der ihm gehörigen Waldlandschaft zwischen Schöckel und Feistritz und Gründer von Weiz, der auf ein großes Lebenswerk zurückblicken konnte, regelte am 1. Oktober 1187 mit seiner Frau Elisabeth im Beisein des Herzogs Otakar das Erbe seiner Töchter Kunigund und Gertrud in Anwesenheit der Schwiegersöhne Graf Wilhelm von Heunburg und Herrand von Wildon. Letzterer wurde später Besitzer der Herrschaft Gutenberg mit Weiz.

Noch einmal versammelte Liutold seine Familie und bat ritterliche Zeugen zu einer Stiftung. Diesmal wählte er nicht seinen Herrschaftssitz, die Burg Gutenberg, sondern die Patronatskirche zum Hl. Thomas von Canterbury in seiner Gründung Weiz. Die dritte Tochter des Gutenbergers Ottilie, Äbtissin des Reichsstiftes Göß bei Leoben, sollte ebenfalls mit Gütern als Erbe und das Kloster zu seinem Seelenheil bedacht werden. Die hierüber in lateinischer Sprache abgefaßte Urkunde, heute Gutenberger Urkunde des Stiftes Göß im Landesarchiv in Graz, beginnt wörtlich:

„Kund sei der Nachwelt sowohl der gegenwärtigen als auch der künftigen Getreuen Christi, daß ein gewisser Edler Liutold von Gutenberg und seine Gattin, die Edle Elisabeth, gemeinsam das Gut – welches sie im Dorf, Romatschachen genannt, rechtmäßig besessen … in Gegenwart ihrer Töchter Kunigunde und Gertrude … durch die Hand eines gewissen Edlen Ulrich von Peggau … dem Kloster der glorreichen Jungfrau Maria, Göß genannt, mit machtvoller Hand ohne Widerruf zu ewigen Besitz übergeben ließen; … denn ihre Tochter mit Namen Ottilie stand damals diesem Kloster als Äbtissin vor …“ Die Stiftung an das Reischstift Göß umfaßte 16 Huben und 5 Hofstätten mit allen ihren Zugehörungen, Einfahrten und Ausfahrten, Wiesen, Weiden, Mühlen, bebaut und unbebaut; die eigenleute – welche das Dorf Romantschachen umfaßte – ebenso einen dem Dorfe benachbarten Weingarten wie das Bergrecht von den dem Dorfe anliegenden Weingärten. Ferner erhielt das Kloster Göß einen Hof bei St. Dionysen, welchen Liutold um 50 Mark für seine Tochter, der Äbtissin Ottilie, gekauft hatte. „Aber daß diese Schenkung geglaubt und unangetastet bleibe und auch künftig nicht zunichte gemacht werden könne, lassen gegenwärtig duch das Siegel Herzog Otakars von Steier die Stifter die mit den unten angeführten, damals umstehenden Zeugen, ausgezeichnete Urkunde bekräftigen“. Unter den vierzig ritterlichen Zeugen befanden sich Graf Ulrich von Heunburg und sein Sohn Graf Wilhelm, Rudolf von Kindberg, Ulrich von Peggau und sein Bruder Liutold, Hartnid von Ort, Gundaker von Steyr, Otakar von Graz, Gerhard von Pitten, Friedrich von Pettau, Gottfried von Landsberg, Otto, During, Hartwig, Hermann, Otto, Hartmann, Gundaker, Gerold und Dankrat von Gutenberg. Die Urkunde schließt: „Freilich geschah dies am 11. Mai in der Basilika des heiligen Thomas des Märtyrers, gelegen im Ort, der Weiz genannt wird. Im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1188, als Clemens den Apostolischen Stuhl innehatte, Kaiser Friedrich mit dem Kreuz Christi pilgerte, Adalbert Bischof und Otakar Herzog des Landes war.“

Bewogen durch seine tiefe Beziehung zu seiner Stiftung, zur Kirche des Hl. Thomas und seiner Marktgründung hatte Liutold von Gutenberg den Ort gewählt, an dem er seine letzte Rechtshandlung verbriefen und bezeugen ließ. Die Wiedergabe der Urkunde in der Kirche gibt Zeugnis von diesem Geschehen vor 800 Jahren. Der Gutenberger war entschlossen, sich auf den Weg nach Jerusalem aufzumachen. Auf seiner Kreuzfahrt vollendete er sein Leben. Der Nachwelt sind Burg, Kirche und Stadt als seine Gründung erhalten.

(1907-2001) war Weizer und Lehrer aus Leidenschaft.
Besonderes Anliegen war ihm immer, wie er es nannte – ein volksbildnerisches Bestreben, auf die geschichtliche Vergangenheit unserer Heimat hinzuweisen.

In diesem Sinne werden hier auch seine Texte veröffentlicht, dass sie auch in Zukunft einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, bzw. bleiben. Die Texte sind bis auf kleine Korrekturen in der Rechtschreibung unverändert gegenüber den Originaltexten. D.h. es kann sein, dass sie auch vom Stil her etwas antiquiert wirken.

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